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Berichte

Digitaler Workshop „Grundeinkommen“ veranstaltet von der Diakonie Deutschland

 

Der ursprünglich als Präsenzveranstaltung in Berlin geplante Workshop „Grundeinkommen“ fand digital statt. Teilnehmende kamen aus dem Verbund der Diakonie, die das Thema Grundeinkommen schon seit einigen Jahren bearbeitet.
Zunächst gab es eine Vorstellungsrunde aller Teilnehmer/-innen, dann folgte ein Vortrag von Ronald Blaschke (Philosoph und Mitbegründer des Netzwerks Grundeinkommen) „Warum sollten wir über Grundeinkommen sprechen?“. Darauf folgte eine Präsentation von Lioba Gierke (MA Psychologie, Promotion an der WHU Beisheim School of Management) „Was bewegt die Menschen beim Thema Grundeinkommen?“ und als Abschluss sprach Michael David (Diakonie Deutschland, Zentrum Migration und Soziales) zum Thema „Wie diskutiert die Diakonie Grundeinkommen?“

Ronald Blaschke führte in die Thematik Grundeinkommen ein. Zunächst müsse man den Begriff des „Grundeinkommens“ in das öffentliche Sozialsystem einordnen, zum Beispiel gibt es die Sozial- und Rentenversicherung, die bestehen blieben. Grundsicherungsmodelle jedoch würden durch das Grundeinkommen ersetzt werden.

Das Grundeinkommen garantiert jedem Bürger individuell einen bestimmten monatlichen Betrag. Es gibt im Gegensatz zu Hartz IV keine Bedürftigkeitsprüfung der Empfänger, ebenso keinen Arbeitszwang oder –druck und auch keine Sanktionen. Die finanzielle Existenz der Empfänger/-innen und auch ihre gesellschaftliche Teilhabe sollen so gesichert werden.

Grundsätzlich kann man zwischen Bedingungslosem Grundeinkommen und Grundeinkommen als Existenzsicherung unterscheiden.
Eines der existenzsichernden Modelle sieht vor, dass Menschen ohne Einkommen sowie Menschen, die weniger als 1.400 Euro Brutto-Verdienst beziehen, Grundeinkommen erhalten. Bei Menschen, deren Brutto-Gehalt über der Grenze von 1.400 Euro liegt, wird das Grundeinkommen von ihrer Einkommenssteuer abgezogen – als sogenannte negative Einkommenssteuer. Bei Einkommen von 100 bis 1.400 Euro wird ein hoher prozentualer Anteil an Steuern abgezogen, nämlich zwischen 66% und 78%, bei Einkommen über 1.400 Euro beträgt er 79%. Das Grundeinkommen beträgt stets 1.100 Euro.

Beispiele:
Bei 100 Euro Brutto-Einkommen sind es  66 % Einkommenssteuer: es bleiben 1.134 Euro Netto-Einkommen. Rechnung: 66 % von 100 Euro: 66 Euro. Diese werden vom Gehalt abgezogen. Es bleiben: 34 Euro Gehalt + 1.100 Euro Grundeinkommen = 1.134 Euro.

Bei 1.300 Euro Brutto-Einkommen sind es 78 % Einkommenssteuer: es bleiben 1.386 Euro netto Einkommen. Rechnung: 78 % von 1.300 Euro: 1014 Euro. Diese werden als Steuern vom Gehalt abgezogen. Es bleiben 286 Euro Gehalt +1.100 Grundeinkommen = 1.386 Euro.

Bei 5.000 Euro brutto Einkommen sind es 79% Einkommenssteuer: es bleiben 2.150 Euro Netto-Einkommen. Rechnung: 79% Steuern von 5.000 Euro: 3.950 Euro. Hiervon werden 1.100 Euro Grundeinkommen abgezogen. Es müssen an Steuern gezahlt werden: 2.850 Euro. Das heisst: 5.000 Euro Einkommen minus 2.850 Euro Steuern: 2.150 Euro Netto-Gehalt.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist die unkompliziertere Variante. Sie würde bedeuten: Die monatliche Auszahlung einer bestimmten Summe (hier gibt es verschiedene Ansätze, Summen schwanken zwischen 1.000 und 1.400 Euro), gänzlich ohne Bedingungen und Verrechnungen, ein ganzes Leben lang. Auch hier gibt es verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten, etwa die Einkommenssteuer, die Erbschaftssteuer oder über die Mehrwertsteuer.
Verfechter des Bedingungslosen Grundeinkommens sagen, dass es eine Riesen-Chance wäre, Menschen zu helfen, die sehr wenig Geld zur Verfügung haben, sie vor Armut zu schützen und beispielsweise zu befähigen, mehr ehrenamtliche Tätigkeiten zu verrichten. Gegner des Bedingungslosen Grundeinkommens gehen davon aus, dass dieses dazu führen würde, dass Menschen, die potenziell gering entlohnte Berufe ausüben könnten, nicht mehr arbeiten gehen würden.

Lioba Gierke forscht für Ihre Doktorarbeit am Thema Grundeinkommen. Sie beleuchtete die psychologischen Aspekte. Sie nannte Hypothesen, die zur weiteren Forschung wichtig sind: Menschen würden von ihrem Grundeinkommen sinnvoll Gebrauch machen, ihr Unabhängigkeitsgefühl würde gestärkt werden. Und: ein Grundeinkommen würde nicht dazu führen, dass Menschen faul werden und gar nicht mehr arbeiten.

Die Überlegung, ob in Zukunft von Menschen verrichtete Arbeit von Maschinen verrichtet werden kann, ist auch relevant als Argument für ein Grundeinkommen. Michael David betonte, dass durch ein Grundeinkommen gesellschaftliche Teilhabe von Erwerbsarbeit entkoppelt werden könnte und es weniger Arbeitszwang geben würde. Das Ziel eines Grundeinkommens sei es stets, Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen.

 

Ein Bericht von Andreas Kraft, Mitarbeiter im Projekt Demokratiebegleiter/-innen im Sozialunternehmen NEUE ARBEIT gGmbH, Stuttgart.
 

Weitere Informationen zum Thema Grundeinkommen gibt es hier:

https://www.diakonie-wissen.de/documents/10179/10928683/2020-4-24+Fachtag+Grundeinkommen_5.pdf/d02e7c86-eca4-4a4a-86ec-86e90eb552db

https://www.diakonie-wissen.de/documents/10179/9364092/19-5-23+Diakonie+Grundeinkommen+David.pdf/9bf8a49a-28cd-4052-8186-f316fabf1d53