Christian Neuhäuser
Reichtum als moralisches Problem
Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft
Erstausgabe: 11. 03. 2018
Dass man zu arm sein kann leuchtet ein – aber kann man auch zu reich sein? Dieser Frage widmet sich Dr. Christian Neuhäuser, Professor für praktische Philosophie an der TU Dortmund, in seinem jüngsten Werk. Frei von ideologischen oder parteipolitischen Vorurteilen erörtert er auf etwa 250 Seiten nicht nur, ob zu hoher Reichtum sich negativ auf das eigene Leben in Selbstachtung und Würde auswirken kann, sondern auch – und vor allem –, ob dieser dadurch in moralisch relevanter Weise mit den Interessen der weniger gut betuchten Mitbürger in Konflikt gerät. Hierzu entwickelt er einen eigenen Reichtumsbegriff und klärt, in wieweit die ungleiche Verteilung von Geldmitteln als allgemeine Gerechtigkeitsfrage verstanden werden kann.
Dabei geht es ihm im Besonderen darum, ein tieferes Verständnis zwischen Geldvermögen, gesellschaftlicher Stellung und der Würde und Selbstachtung der Akteure herauszuarbeiten. Denn nur wenn der Reichtum des einen, die Würde des anderen gefährdet, handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem solchen Ausmaßes, dass drastische Eingriffe in die gegebenen Wirtschafts- und Sozialstrukturen gerechtfertigt werden können. Diesbezüglich attestiert er der Bundesrepublik eine ungesunde, und für die Menschenwürde hochproblematische, Ausrichtung auf Reichtum und unbegrenztes Wirtschaftswachstum, und plädiert nachdrücklich für einen Paradigmenwechsel. Des Weiteren sollen nicht nur in Deutschland die Chancen und Gelder gerechter verteilt und die Ökonomie durch ein wachstumsstatisches und ökologisch nachhaltiges System ersetzt werden, sondern auch europa- und weltweit muss dringend für mehr Solidarität und Fairness gesorgt werden. Denn nur so ließen sich die großen zukünftigen Krisen bewältigen, seien es durch Armut, politische Unruhen und Klimawandel hervorgerufene Völkerwanderungen, aufgrund wachsender sozialer Ungerechtigkeit außer Kontrolle geratene innenpolitische Konflikte, oder die zunehmende Arbeitslosigkeit durch immer weiter fortschreitende Automatisierung.
Fazit: Christian Neuhäuser‘s allgemein verständliche und dennoch der Komplexität und Brisanz des Themas angemessene sorgfältige Analyse des Status Quo im Kontext einer ethisch-moralischen Perspektive ist gleichermaßen überzeugend wie ernüchternd. Einerseits sind die im Buch erörterten Veränderungsvorschläge sinn- und maßvoll, und durchaus realisierbar, auch wenn die Einschätzung des Autors, was unsere Änderungsfähigkeit- und Willigkeit betrifft, nicht allzu optimistisch ausfällt. Andererseits zeigt das Werk einmal mehr, dass es eben nicht an fundiertem theoretischen Wissen mangelt, sondern aller Voraussicht nach
lediglich am Willen der Politikakteure, die lieber wirtschaftliche, parteipolitische und vor allem Eigeninteressen vertreten, anstelle der Menschen, die ihnen den Regierungsauftrag überhaupt erst erteilt haben.