Claudine Nierth
Die Demokratie braucht uns! Für eine Kultur des Miteinanders
Goldmann Verlag
Erstausgabe 2021
Die Autorin Claudine Nierth ist Mitbegründerin des Vereins „Mehr Demokratie“ und heute dessen Bundesvorstandssprecherin. Seit den 1980er Jahren setzt sie sich für Volksentscheide und Bürgerbeteiligung ein. Mit ihrem Buch „Die Demokratie braucht uns!“ liefert sie einen Appell dafür, die Demokratie so zu gestalten, dass mehr Beteiligung möglich ist. Sie ist der Meinung, dass eine Demokratie lebendig bleiben und sich ständig erneuern muss. Nierth berichtet dafür sehr anschaulich aus ihrem Leben: über Begegnungen mit Politiker/-innen, Teilnahmen an Parteitagen, ihre ersten Projekte zur Bürgerbeteiligung sowie die Durchführung des ersten Bürgerrats für den Bundestag 2021.
Ein Schlüsselerlebnis für sie war der erste Bürgerrat in Irland zum Thema gleichgeschlechtliche Ehe im Jahr 2015, der sehr erfolgreich verlief. Seitdem experimentieren immer mehr Länder mit dieser neuen Form: „Das ist auch mein Ziel bis heute: eine Bürgerschaft, die Gräben überbrückt und in grundsätzlichen Fragen die bestmöglichen Entscheidungen gemeinsam trifft“, so die Autorin.
Nierth ist der Meinung, dass viele Menschen zunehmend unzufrieden sind mit den politischen Prozessen, in die sie sich zu wenig eingebunden fühlen. Auch in den Ergebnissen können sie sich nicht wiederfinden. Auch die Politiker sind laut Nierth unzufrieden: sie erreichen viel zu selten das, wofür sie eigentlich kämpfen. Und Sie müssen das wenig Erreichte auch noch als Erfolg verkaufen. Deswegen müsse man sich die Frage stellen: ist unser Regierungssystem, so wie es momentan organisiert ist, noch in der Lage, den heutigen Anforderungen zu entsprechen?
Die Menschen fühlen sich übergangen und es besteht die Gefahr, dass sie rebellieren oder sich radikalisieren. Die Demokratie sei in der Krise. Wie kann man dies lösen?
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine Gruppe zusammen klüger ist als die klügste Einzelperson. Je unterschiedlicher eine Gruppe zusammengesetzt ist desto mehr Blickpunkte fließen ein und desto umfassender werden die Antworten sein. Deswegen ist ein Bürgerrat, der alle Möglichkeiten durchdiskutiert und dem Parlament eine Entscheidung empfiehlt, so wertvoll. Eine andere Möglichkeit für die Bürger sich mehr einzubringen, und zwar auch zwischen den Wahlen, ist das Volksbegehren. Diese Möglichkeit der direkten Abstimmung gibt es schon in den Gemeinden und auf Länderebene, jedoch noch nicht auf Bundesebene, mit Aus-nahme eines Probelaufs im Jahr 2021.
Die Befürchtung, dass Extremisten diese Möglichkeit instrumentalisieren könnten, räumt die Autorin mit dem Argument aus, dass von bisher insgesamt 383 Volksinitiativen nur zwölf in diese Kategorie fallen und alle waren erfolglos. Nierth zitiert in diesem Zusammenhang auch den ehemaligen bayerischen CSU-Innenminister Günther Beckstein, der sich von einem Gegner zu einem Befürworter der direkten Demokratie gewandelt hat. Die Autorin macht viele weitere Vorschläge, wie unsere Demokratie weiter zu verbessern wäre und gibt Beispiele aus anderen Ländern.
So logisch und wünschenswert die Ausführungen der Autorin im Hinblick auf mehr Bürgerbeteiligung sind, so schwierig könnte es werden, dies auch umzusetzen, denn von der Seite der Politik kommt, laut Nierth, wenig Entgegenkommen. Das Buch ist trotzdem sehr wertvoll, zeigt es doch Wege auf, wie die momentane politische Situation verbessert werden könnte. Obwohl es inhaltlich dicht geschrieben ist, liest es sich leicht und flüssig. Durch die anschaulichen Beispiele aus dem Leben der Autorin wird es nie langweilig. Am Ende gibt es noch Tipps zum konkreten Aktivwerden und eine Lektüreliste.
Das Buch ist ein Plädoyer für eine positive Veränderung unserer politischen Struktur mit vielen Handlungsempfehlungen, das eine weite Verbreitung verdient.
Buchbesprechung von Demokratiebegleiterin Elene Böcher