7. - 10.08.2023
Demokratiebegleiter/-innen besuchten Berlin
Mit welchen Aktionen fängt der politische Widerstand an und wie viele Mutige gab es im Dritten Reich, die diesen ausübten? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigten wir uns bei dem Besuch der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ im Bendlerblock, wo die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg seinerzeit getötet wurden. Dabei wurden von Stauffenberg und Georg Elser als versuchte Attentäter gegenübergestellt und ihre Gegensätze herausgearbeitet. So gab es mit Elser den frühen, individuell handelnden Hitlergegner – und mit von Stauffenberg aber auch einen Bürger, der nach langem Reflexionsprozess im Rahmen seiner Mitverschwörer handelte.
Beim Besuch des Reichstages erhielten wir einen Vortrag, bei dem vor allem die aktuelle Reform der Stimmenverteilung des Bundestages im Mittelpunkt stand. Schlüssig war die Erläuterung, dass das Plenum deshalb immer so leer ist, weil die hauptsächliche Arbeit in den Ausschüssen stattfindet und nur die tatsächlich Mitwirkenden an einem Gesetz im Bundestag öffentlich debattieren.
Im Anschluss besuchten wir die Rosa-Luxemburg-Stiftung, wo bei einer kurzen Einführung auf die Besonderheit des deutschen Stiftungswesens aufmerksam gemacht wurde. Dieses gibt es in dieser Form in anderen Ländern nicht, es wurde nach dem Nationalsozialismus ins Leben gerufen, um die Politisierung der Zivilgesellschaft zu fördern. Bei der anschließenden Diskussion zum Thema „Sozialökologische Transformation unserer Gesellschaft“ ging es hitzig zu.
Am nächsten Tag führte uns eine lange Stadtrundfahrt gefühlt zu allen sehenswerten Orten im Osten und im Westen Berlins und ermöglichte es uns so, unter anderem das obligatorische Foto beim Bruderkuss an der EastSideGalery zu knipsen. Danach war die Bundeszentrale für politische Bildung unser Ziel, hier ging es um Umwelt- und Klimapolitik (ein ausführlicher Bericht dazu findet sich im Anschluss).Nach einer kleinen, individuell verbrachten Pause wartete der Hackesche Markt auf uns. Im Mittelpunkt standen hier Zeugnisse der Judenverfolgung im Dritten Reich. So besichtigten wir die ehemalige Blindenwerkstatt von Otto Weidt, die heute ein Museum ist. Otto Weidt, selbst erblindet, eröffnete in der Rosenthaler Straße 39 eine Besen- und Bürstenbinderei. Als „wehrwichtiger Betrieb“ eingestuft bot sie ihm die Möglichkeit, hier seine größtenteils jüdischen Mitarbeiter vor den Deportationen zu schützen. Zu ihnen zählte unter anderem die bekannte spätere Journalistin Inge Deutschkron. In einem Hinterraum seiner Werkstatt versteckte Weidt vorübergehend die Familie Horn, bis sie schließlich doch entdeckt wurde.
In unmittelbarer Nähe besuchten wir abschließend das Anne Frank Zentrum. Vermittelt wird hier die Lebensgeschichte des jüdischen Mädchens Anne Frank in ihren einzelnen Stationen. Gezeigt wurde auch die Kopie des Originaltagebuchs von Anne Frank, in dem deutlich zu erkennen war, dass sie ob des Erlebten bewusst die Flucht aus der deutschen Sprache wählte und in Niederländisch schrieb.
Gesättigt und geplättet von den zahlreichen und widersprüchlichen Eindrücken ging es am nächsten Tag dann nach Haus.
Im Fokus:
Funktioniert Umwelt– und Klimaschutz ohne die Demokratie?
Beim Besuch der Bundeszentrale für politische Bildung im Rahmen der Berlin-Reise wurde kontrovers diskutiert
In jüngster Zeit gibt es enorme Kritik an den vom Bundeskabinett beschlossenen Mitteleinsparungen um gut 20 Prozent bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Wie wichtig deren Arbeit ist, zeigte sich bei einem Treffen im Rahmen der Berlin-Reise der Demokratiebegleiter/-innen.
Angestoßen von der Referentin hatten die Besucher/-innen in der Bundeszentrale eine kontroverse Diskussion zum Thema „Der Zusammenhang zwischen Demokratie und Umweltschutz“. Dabei wurde anhand der Argumente deutlich, wie schwierig das politische Handling dieses Themas ist, denn es gibt verschiedene Handlungsstrategien. Die neoliberale Position fordert, die Politik müsse Zurückhaltung üben und die Wirtschaft machen lassen, weil es sich um ökonomische Entscheidungen überwiegend von Großkonzernen handele, die Politik setze dabei bestenfalls die Rahmenbedingungen.
Eine andere Position geht dahin, die Bevölkerung solle von den Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden, weil sie gar nicht über das Urteilsvermögen und das Fachwissen der Experten/-innen verfüge. An dieser Stelle wird deutlich, dass eine angemessene Vermittlung von umweltpolitischen Inhalten immer noch zu wünschen übrig lässt.
In einer dritten Position wird auf Beteiligung des Volkes bestanden. Der einzelne Bürger und die einzelne Bürgerin bestimmten über ihren Lebensstil den Grad der Umweltverschmutzung wesentlich mit und müsse deshalb mitgenommen werden. Thematisiert wurden auch die in Deutschland extrem langsamen politischen Entscheidungsprozesse, weil viele von ihren individuellen Widerspruchsrechten Gebrauch machen.
Ein Land wie China beweist, dass Umwelt- und Klimaschutz bei Anordnung von oben schneller vorangehen kann. Und: Auch wenn es sich bei China um keine Demokratie handelt, müssen demokratische Staaten mit China zusammenarbeiten, um den weltweiten Umweltschutz voranzubringen. Gleichzeitig gibt es auch in Deutschland die Forderung, dass individuelle Bürgerrechte eingeschränkt werden müssen, etwa durch die Anwendung des Planungsbeschleunigungsgesetzes.
So verließen die Besucher/-innen die Veranstaltung mit der Frage, ob und wieviel Zeit für einen „demokratischen Umweltschutz“ bleibt.
Am Abend gab es noch eine Spreefahrt mit kundiger Führung des „Eddyline“-Kapitäns. An beiden Tagen wurde die Gruppe mittags und abends in diversen Lokalen verköstigt.