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Buchbesprechungen

Wissen ist ein elementarer Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft und viel Wissen findet sich in Büchern. Die Demokratiebegleiter/-innen wählen deshalb Bücher mit gesellschaftlich relevanten Themen aus. Das Besondere dabei ist, dass sie diese auch selber rezensieren.

 

Aladin El-Mafaalani

Das Integrationsparadox – warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt

Kiepenheuer und Witsch, Köln
Erstausgabe: 2018

Auf dem Foto zu sehen: Buchcover "Das Integrationsparadox" von Aladin El-MafaalaniDas Thema dieses Buches ist, weit gefasst, unsere gesellschaftliche Situation, eng gefasst geht es um Integration, ihre Folgen und Grenzen. El-Mafaalani will in seinem Buch eine Neubewertung unserer gesellschaftlichen Situation aufzeigen: Wir sind auf dem Weg in eine offene Gesellschaft. Aber woran erkennt man dies? Zum Beispiel an den Diskussionen um Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, um sexuelle Orientierung, um religiöse Freiheit. Diesbezüglich hätten sich Teilhabechancen, verstanden als die Möglichkeit, berufliche und gesellschaftlich mehr teilzunehmen, wesentlich verbessert.
Anhand von Analysen des gesellschaftlichen Wandels arbeitet El-Mafaalani zwei zentrale Begriffe heraus: den der „Inneren Offenheit“ und den der „Äußeren Offenheit“. Innere Offenheit ist die Verschiebung von Grenzen innerhalb einer Gesellschaft, erkennbar an mehr Teilhabe und mehr Zugehörigkeit von Minderheiten. Äußere Offenheit beschreibt die Verschiebung von Grenzen zwischen Gesellschaften, also die Tatsache, dass Gesellschaften sich einander annähern und ähnlicher werden. Der Migrant als solches vereint die wichtigsten Eigenschaften der beiden Offenheiten, in ihm werden innere und äußere Offenheit eins: Migrant-/innen bedürfen der Integration und Inklusion (Innere Offenheit) gleichzeitig ist Migration Bestandteil des Prozesses der Annäherung von Gesellschaften – hier bezogen auf Großstädte bzw. Metropolen.

Der Prozess des gesellschaftlichen Zusammenwachsens wird von vielen als „Spaltung der Gesellschaft“ wahrgenommen – warum? Es geht um Werte, Bewertungen, Ansichten – die zum Teil neu entstehen, wenn Integration geschieht. Weil nicht alle derselben Meinung sein können, empfinden manche dies als Spaltung. Gegenbewegungen gegen die offene Gesellschaft sind exklusive Bewegungen, sogenannte „Schließungsbewegungen“: dazu gehören beispielsweise nationalistische Gruppierungen, rechtspopulistische Tendenzen und Strömungen – entstanden als Reaktion auf die Annäherung zwischen gesellschaftlichen Gruppen.

El-Mafaalani verwendet immer wieder eine Metapher: Und zwar jene, dass es in jeder Gesellschaft einen „Tisch“ gibt, an dem Menschen Platz nehmen können oder dürfen– oder auch nicht. Zum Beispiel haben alt-eingesessene Bürger und Gruppierungen immer schon einen Platz gehabt – während Migranten sich ihn erkämpfen oder erarbeiten mussten. An diesem Tisch werden Themen wie Zugehörigkeit, Forderungen und Ansprüche diskutiert. In der fortschreitenden Veränderung der Gesellschaft gibt es immer mehr Parteien, die einen Platz wollen, darum stellt sich die Frage: Was ist gelungene Integration? Bedeutet sie Harmonie zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen? Nein, denn gelungene Integration führt zu mehr Konflikten, weil es mehr Ansprüche sowie auch Möglichkeiten der Teilhabe gibt. Eine in dieser Hinsicht beispielhafte Frage ist: Gehört der Islam zu Deutschland? Die Antwort lautet: Allein die Tatsache, dass die Frage diskutiert wird, zeigt, dass die Zugehörigkeit von Muslimen deutlich gestiegen ist. Nicht Migration selbst macht eine offene Gesellschaft aus, sondern die in ihr stattfindende Integration und Teilhabe.
Innergesellschaftliches Zusammenwachsen geht nicht ohne Reibungen. Zum Beispiel wird gerungen um Themen wie zum Beispiel die Rolle von Religionen. Das Ziel des Buches war es, Gefahren sowie Potenziale der gegenwärtigen Situation zu erkennen und darzustellen. Das Fazit lautet: Heute ist es, trotz allem, gesellschaftlich gesehen, besser denn je – weil das Ziel, nämlich eine offene Gesellschaft, beinah realisiert ist.